Fabian Walter
Kindheit in Berlin
Heinz Drossel wird am 21.09.1916 in Berlin geboren. Er selbst bezeichnet diese Zeit später als „Weltenwende“ (s.3), „die sein Leben vielleicht mitgeprägt hat“. Er stammt aus einer bürgerlichen Familie. Sein Vater, in einer Handwerkerfamilie aufgewachsen, war schon mit 30 Jahren Prokurist einer der angesehensten Wäschefabriken in Berlin, wo auch seine Mutter arbeitete. Zwischen ihnen gab es, wie Heinz es beschreibt, eine Märchenhochzeit, die jedoch wenig später durch den einsetzenden Krieg getrübt wurde. Seit 1914 war sein Vater Soldat, „Er war kein Nationalist und hielt den Krieg vom ersten Tage an für ein persönliches und nationales Unglück“. Sein Vater war während des ganzen Krieges an der Ostfront in Russland, wo ihn seine Mutter an der Front besuchte, „alle Widerstände beiseiteschiebend“. Schon seine Mutter hatte die Einstellung, dass man etwas erreichen kann, wenn man es nur will.
Nach dem Krieg stand sein Vater vor dem Nichts. Aus einer Vierzimmerwohnung wurde eine Einzimmerwohnung „ohne Bad, mit dem Plumpsklo auf dem Hof hinter dem Haus“. Dort beginnt Heinz Drossels Leben, unter einfachsten Bedingungen. Sparsamkeit und wirtschaftlich sinnvolles Verhalten lernt Heinz schon früh kennen, da es beim „benachbarten Bäcker M.“ für zehn Pfennig eine „Riesentüte Küchenkrümel“ gab und man in den Straßenbahn schnell abspringen konnte und somit keine zehn Pfennig Fahrtgeld zahlen musste, zumindest nicht zwingend.
Als er im Herbst 1928 zusammengeschlagen wird, rät ihm sein Vater: „Wer sich nicht verteidigen kann, der ist geliefert.“ So lernt er gegen Ungerechtigkeit anzukämpfen und sie nicht kampflos hinzunehmen. Auch rät ihm sein Vater: „Bleib immer ein Mensch, mein Junge und anständig auch in schweren Zeiten und selbst dann, wenn es Opfer von Dir fordern sollte“. Ein Ausspruch, dem er sein ganzes Leben lang gefolgt ist.
Oft sitzt Heinz Drossel bei „Jud Flieg“, einem schmächtigen, armseligen, aber immer freundlichen Mann, der ihm vom kommenden Messias erzählt. Er lernt durch ihn die jüdische Kultur und einen Juden als „immer freundlichen Mann“ kennen. Obwohl er einige Freunde hatte, bezeichnet er seinen Hund Bella, einen Dobermann, als Beschützer und, eben, besten Freund (vgl. s.8). Der Kindergarten macht keinen großen Eindruck auf ihn, später wird er sich nicht daran erinnern. Auch die Strafen in der Schule, wie z.B. Ohrenziehen oder Schläge mit dem Rohrstock erziehen ihn nur wenig „Duckmäuser sind wir keine geworden, sondern echte Lausbuben“.
Seine Freunde kommen aus allen sozialen Schichten. „Unterschiede gibt es nicht“. Die Herkunft ist egal, sie halten zusammen. Der Vater von Jacob, einem Schulfreund, erzählt ihm schon früh vom Antisemiten, „deren Ziel es ist, alles Jüdische mit Hass und Neid zu verfolgen.“ Weiter spricht er: „Werdet nie Schuldig an ihnen, denn Jahwe lebt und wird eines Tages Gericht halten.“ Somit lernt er schon sehr früh eine richtige Einstellung gegenüber dem Antisemitismus kennen.
Als er schwer krank wird, er leidet an einer Lungenentzündung, betet nachts an seinem Bett eine Ordensschwester für sein Wohl. Er macht so seine ersten tieferen Erfahrungen mit der Religion. Er ist sehr beeindruckt von dieser Schwester, die für seine Gesundheit, für ihn, zu Gott spricht. Später beschreibt er: Die Bibel hat ihn „geistig durch den Krieg geführt“. Für ihn gibt es auch ohne Christentum eine Erlösung, doch das Christentum gäbe es ohne das Judentum nicht. Somit sieht er die Juden nicht als Menschen, die einer falschen Religion nachgehen, sondern als Volk, das denselben Gott hat.
Am Ende seiner Volksschulzeit, in einer Zeit, in der es seiner Familie wieder besser geht, will er seinen Klassenkameraden, denen es wirtschaftlich schlechter geht, eine Freude machen und packt Geschenkpakete, die aber abgelehnt werden, da „man keine Almosen nötig hat“.
Erstmals erkennt er, dass soziales Handeln nicht immer einfach ist. Diese Erkenntnis wird sich später wie ein Roter Faden durch sein Leben ziehen.
Seinen Großvater bewundert Drossel sehr, „er konnte es mit jedem Professor aufnehmen“, schreibt er später. Er lernt viel von ihm und übernimmt seine Eigenschaft, sich nie kritiklos anzupassen.
Auch kann man den Sport erwähnen. Drossel, ein guter Sportsmann, lernte sicher auch durch den Sport, faires und sportliches Verhalten.
Im Jahr 1930 beginnt, wie Heinz Drossel es bezeichnet, auch „seine Führerrolle“. Er wird Klassensprecher. Von diesem Zeitpunkt an nimmt er immer wieder eine „leitende“ Stellung. Er vertritt Menschen und leitet sie an. Mit diesen Positionen war er nicht immer einverstanden.
Schon als vierzehnjähriger führt er Gespräche mit Reichskanzler Hermann Müller, dem er häufig Oberhemden und Frackhemden liefert. Er fängt an, sich für Politik zu interessieren, und informiert sich über die Parteien.
Als die NSDAP aufkommt, und damit Hitler, kauft er sich „Mein Kampf“ und notiert am Rand kritische Bemerkungen, die ihn „bei Bekanntwerden ins Konzentrationslager gebracht hätten.“ (s.23). Spätestens jetzt wird klar, dass er kein Mitläufer werden würde, sondern er eher wie ein „Held“ aus der Masse herausragen wird..
Drossel beschreibt seine Kindheit später mit folgenden Worten:
„Es war eine herrliche, für uns unbeschwerte Zeit mit all den kleinen Geheimnissen und Glückseligkeiten der Kindheit. Und doch beginnen wir zu merken, dass unsere Zeit eine politische, eine bewegte Zeit ist. Alle Eltern haben sorgen.“