Erinnerungen an Heinz Drossel
Vizepräsident des Sozialgerichts a.D. Peter Fleiner
Heinz Drossel habe ich im Mai 1976 nach seiner Ernennung zum Präsidenten des Sozialgerichts Freiburg kennen gelernt. Ich war –wie die meisten Kolleginnen und Kollegen am Gericht auch- mit meinen damals 35 Jahren ein noch junger Richter. Wir galten als demokratisch, individualistisch und (überwiegend) links eingestellt, und man darf vermuten, dass der Dienstherr ( zu Recht) gerade Heinz Drossel für geeignet hielt, ein solches Gericht zu leiten. Es zeigte sich auch ganz schnell, dass wir einen ungewöhnlichen Präsidenten bekommen hatten. Ungewöhnlich in der (eben nicht selbstverständlichen) Verbindung von rechtlichem und menschlichem Denken und Handeln, die ihn charakterisierte. Ich denke, das rechtliche (besser vielleicht: rechtsstaatliche) Denken war sein preussisches Erbe. Er war ein Patriarch in dem guten Sinn der Fürsorge und des Schutzes für die ihm Anvertrauten. Ich hatte in den gut fünf Jahren bis zu seiner Pensionierung Ende September 1981 fast an jedem Arbeitstag in meinen Funktionen als Richterrat, Präsidiumsmitglied und Pressesprecher des Gerichts Kontakt zu ihm und war und bin bis heute beeindruckt von seiner Fähigkeit, auch in ganz schwierigen Situationen und Konflikten, die natürlich nicht ausbleiben, das Menschliche zu bewahren. Nichts Menschliches war ihm fremd, weil er sich selbst als Menschen empfand. Da liegt auch (davon bin ich zutiefst überzeugt) die innere Verbindung mit seinem Handeln in der finsteren Zeit des Nationalsozialismus. Er hat darüber während seiner Tätigkeit als Präsident des Sozialgerichts geschwiegen, zum einen aus der ihm eigenen Bescheidenheit ( nichts war ihm verächtlicher als Wichtigtuer), zum anderen aber auch, weil er befürchtete, auf Desinteresse zu stossen. Aber einem rechtlich und menschlich Denkenden und Handelnden wie ihm musste der Nationalsozialismus zuwider sein. War er ein Held? Nein, er selbst hätte eine solche Bezeichnung auch abgelehnt. Für ihn gilt, was die Söhne von Fabian von Schlabrendorff, dem Widerstandskämpfer und späteren Bundesverfassungsrichter, über ihren Vater gesagt haben: „Er war ein Mensch mit allen Stärken und Schwächen.“ Heinz Drossel war kein Held, aber er bleibt ein Vorbild für alle, die sich heute Rechtlichkeit und Menschlichkeit verpflichtet wissen.